Mittwoch, 21. Juni 2017

Der Circle - Dave Eggers

Titel: Der Circle
Autor: Dave Eggers
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (KiWi-Verlag)
Seitenanzahl: 558 Seiten
Preis: 22,99€ (gebundene Ausgabe) / 10,99€ (Taschenbuch)

Klappentext
Huxleys »Schöne neue Welt« reloaded: Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim »Circle«, einem freundlichen Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz – so ein Ziel der »drei Weisen«, die den Konzern leiten – wird es keinen Schmutz mehr geben im Internet und auch keine Kriminalität. Mae stürzt sich voller Begeisterung in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterneköche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren, wo internationale Popstars Gratis-Konzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze. Doch eine Begegnung mit einem mysteriösen Kollegen ändert alles …
Mit seinem neuen Roman »Der Circle« hat Dave Eggers ein packendes Buch über eine bestürzend nahe Zukunft geschrieben, einen Thriller, der uns ganz neu über die Bedeutung von Privatsphäre, Demokratie und Öffentlichkeit nachdenken und den Wunsch aufkommen lässt, die Welt und das Netz mögen uns bitte manchmal vergessen.

Meine Meinung
Ein erschreckend realistischer Roman über Transparenz, Überwachung und die Veröffentlichung privaten Eigentums durch den dominierenden Internetkonzern „Der Circle“. Dave Eggers schreibt über die Gefahr von zu viel Macht eines einzigen Unternehmens und dessen Ziel einer transparenten Menschheit. Er zeigt eine beängstigend lebensnahe Zukunft, wie sich unsere ständige virtuelle Teilnahme weiterentwickeln könnte.
Maebelline, Mae, Holland ist überglücklich als sie durch die Hilfe ihrer besten Freundin die Chance erhält bei dem erfolgreichsten Internetkonzern der Welt zu arbeiten – The Circle. Endlich muss sie ihre Lebenszeit nicht mehr in ihrem Job bei den Strom- und Gaswerken verschwenden, sondern kann Einfluss auf das Geschehen in der Welt nehmen und bekommt dazu noch die zusätzlichen Bonusleistungen, die das Unternehmen bietet, präsentiert. Es könnte nicht besser laufen, ein aufregender neuer Job, viele Freunde und Partys. Bald schon erklimmt Mae begeistert die Karriereleiter, ist eine Vorzeigemitarbeiterin und verfolgt mit großer Faszination den Vernetzungswahn des Konzerns, ohne auch nur einmal dessen Forschungen zu hinterfragen. Als sie dann auch noch zum Aushängeschild und Sprachrohr des Circles wird, passt sie sich der Masse immer mehr an und die bedingungslose Loyalität gegenüber ihren Arbeitgeber nimmt noch größere Ausmaße an.


Das Unternehmen wird von den „drei Weisen“ geführt und auch repräsentiert. Tyler Alexander Gospodinov, bei allen aber nur als Ty bekannt, wollte damals einfach nur falsche Identitäten durch das System „TruYou“ aus dem Internet verbannen und hätte niemals mit dem rasanten Aufstieg seines Unternehmens gerechnet. Später wurden dann noch Eamon Bailey und Tom Stenton in die Firmenleitung geholt und seitdem beherrschen sie den Verkauf von verschiedensten IT-Produkten und führen das erfolgreichste Unternehmen weltweit. Innovationen wie Minikameras, Tracker oder neuartigen Datenerfassungsmaschinen werden täglich beim Circle zur Realität gemacht und treffen überall auf der Welt auf positives Feedback.
Die Handlung des Buches ist weitestgehend einfach nur erschreckend, da sich so viele Parallelen zur Realität finden und auch dem Einfluss auf die begeisterte Menge kaum  etwas entgegengesetzt werden kann. Man ist zuerst selbst einfach nur fasziniert vom Circle und dessen Entwicklungen, doch diese perfekte-digitale-Hülle bekommt schnell genug Risse. Immer mehr Erfindungen werden möglich gemacht, immer neuere Ideen in die Tat umgesetzt und keinem fällt so wirklich auf wie sehr die Privatsphäre dadurch gefährdet wird. Zum Beispiel die kleinen Kameras die überall positioniert werden können übertragen laufend Live-Bilder, ohne dass die Betroffen diese entdecken. Und so geht es immer einen Schritt weiter, immer weiter auf die Transparenz jedes Einzelnen zu, also die Vollendung des Circles. An manchen Stellen war es aber wirklich unlogisch, da wirklich absolut keiner diese Technologien in Frage gestellt hat oder auch nur Kritik eingeworfen hat. Es lag nicht mal daran, dass das Unternehmen seine Mitarbeiter und Anhänger kontrolliert, sondern die Menschen sind wahrhaftig überzeugt von dem Konzept des Circles und richtiggehend besessen von noch weiteren Innovationen.

                         Architektur für eine geschlossene Welt: Entwurf für das Amazon-Hauptquartier in Seattle (Quelle:http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/der-dritte-kreis-der-hoelle-dave-eggers-der-circle-im-vergleich-mit-huxley-und-orwell-13089429.html)
Wenn man auf die Charaktere zusprechen kommt, dann muss ich leider sagen, dass die Protagonistin und die auch anderen Hauptcharaktere mir allesamt zu flach und zu oberflächlich dargestellt waren. Keiner außer Mercer, Mae´s Exfreund, konnte mich überzeugen, da sie mir irgendwie charakterlos erschienen sind. Er war der Einzige, der über die Folgen nachgedacht hat und sich weigerte Teil des Circles zu sein.
Der geheimnisvolle Kalden, auch ein wichtiger Charakter in der Geschichte, war mir ein wenig zu wankelmütig und man konnte ihn nur schwer einschätzen. Wirklich geheimnisvoll wirkte er auch nicht auf mich, aber Mae ist natürlich sofort von ihm begeistert und fühlt sich von ihm angezogen, was ich leider nicht so empfunden habe. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt: „Will er nun helfen? Oder ist er doch nur ein Spion?“ Trotzdem war ich am Ende doch ziemlich geschockt darüber wer er wirklich ist, da ich das nicht hatte kommen sehen.
Andere Charaktere wie die Circle-Kollegen gingen mir die meiste Zeit nur auf die Nerven, weil sie so überempfindlich waren. „Wie du hast meinen Zing nicht gelesen? Willst du mich etwa beleidigen?“ Ich hab mich die meiste Zeit wie im Kindergarten gefühlt und nicht wie in einem Weltklasse-Unternehmen voller hochintelligenter Mitarbeiter. Auch die Firmenführung ist schon unnatürlich liebevoll gegenüber ihren Circlern und wirkt meist schon gespielt überschwänglich. Aber auch die Sache mit Annie Allerton, Mae´s bester Freundin, war mir zu überdramatisiert vorgekommen. Zuerst war sie eine sehr direkte Persönlichkeit, die von allen geliebt und bewundert wird, doch irgendwann wird sie zu einer zickigen, neidischen Furie, die sich kurzerhand selbst zum Experiment macht. Mein Mitleid hat sich daher wirklich in Grenzen gehalten.
Vor allem Mae als Protagonistin ist schon lächerlich naiv und war mir von Anfang an wirklich unsympathisch. An manchen Stellen konnte ich ihre Naivität kaum ertragen und hätte sie gerne mal geschüttelt und aufgefordert darüber nachzudenken, dass dieser Eingriff in das Privatleben falsch ist. Sie aber erkennt noch nicht mal die Gefahr als sie von mehreren Leuten für ihre Ideen gewarnt und kritisiert wird. Sie hinterfragt es noch nicht mal, sondern fügt sich nur noch mehr in die Gemeinschaft ein. Auch der soziale Druck der auf sie ausgeübt wird, gibt ihr gar nicht zu denken. Sie soll vielmehr partizipieren in dieser digitalen Welt und ihre Meinung immer offen äußern, weil diese wichtig sei. Es ist fast wie eine Krankheit, die sich im gesamten Circle, und überall auf der Welt verbreitet – immer online, immer aktiv.

Zum Schreibstil von Dave Eggers kann man nur sagen, dass er sehr passend war. Zwar anfangs etwas anspruchsvoller als erwartet, aber mit der Zeit wurde es dann doch einfacher. Weder zu viele tiefgehende Emotionen, noch ein erzwungenes Aufbauen von Spannung. Das alles hätte auch nicht zu dem Roman gepasst. Allein durch die unaufhaltsame Entwicklung des Circles wurde genug Spannung aufgebaut, die sich durch das ganze Buch zog. Das Geschehene war definitiv schlüssig, auch wenn ich die Handlung der Charaktere meist nicht nachvollziehen konnte, da klar ist, dass wenn niemand sich gegen die Macht des Circles stellt, der Aufstieg unausweichlich ist.
Auffällig ist, dass Dave Eggers oft und gerne mit Zahlen um sich wirft, egal ob es die Anzahl von Zings ist die Mae postet oder das Ranking von Mae bei der Arbeit. Diese ständige Bewertung mit Zahlen verdeutlicht auch nochmal, dass der Mensch nur noch als Zahl angesehen und bewertet wird. Er hat aber auch oft Wiederholungen eingebaut, die mit der Zeit das Buch nur noch fad und zäh gemacht haben. Maes Tagesablauf entsprach dem davor, ihre Arbeit war die gleiche und man möchte eigentlich nur vorankommen. Meiner Meinung nach hätte man das Buch auch um 100 Seiten kürzen können.
Das Ende hingegen konnte mich mit kontinuierlicher Spannung voll und ganz überzeugen. Je näher sie dem Ziel kommen den Circle zu schließen (=absolute Transparenz), desto dramatischer wird es. Auch die Metapher mit dem Aquarium, welche erst gegen Ende wirklich auftaucht, ist treffend und hat gut zur Entwicklung der Geschichte gepasst.


Meiner Meinung nach ist der Circle ein Buch, das man gelesen haben sollte, da es wirklich zum Denken anregt. Mich haben während des Lesens Fragen beschäftigt, die ich mir vorher nie wirklich gestellt hatte. Ist unser Internetkonsum so ausgeprägt, dass wir wirklich jemals so blind werden wie die Anhänger des Circles? Wie weit wird unsere Entwicklung noch voranschreiten? Sollte ich in Zukunft wirklich noch so viel im Internet über mich preisgeben? Was sollte ich überhaupt noch über das Internet abwickeln, wenn alle Daten irgendwo, irgendwie gespeichert werden?
Ich bin wirklich geplättet von dem Ausmaß der Macht die der Circle erreicht hat und das hat Dave Eggers auch wirklich gut rübergebracht. Der Einstieg fiel mir, trotz des eher anspruchsvollen Schreibstils sehr einfach und selbst mich als Leser konnte er schließlich von seiner erschaffenen Welt fesseln, weil es so viele Parallelen zur heutigen Zeit aufweist. Es ist zwar eine Dystopie die in der Zukunft spielt, aber mir kam es vor, als wären es nur ein paar Jahre bis zu solch einer Entwicklung.
Leider hat er das Lesevergnügen durch eher flache Charaktere gehemmt und die teilweise langatmigen Wiederholungen waren irgendwann einfach zu viel. Trotzdem ist es ein sehr lesenswertes Buch, welches interessante Überlegungen und Diskussionen aufwirft.

Fazit
Ein sehr spannendes Thema, das jeden Leser in irgendeiner Art schon einmal beschäftigt hat. Die Umsetzung ist mehr als gelungen, konnte aber nicht von den eher schwachen Charakteren ablenken. Auch die Naivität der Menschheit ist einfach unglaubwürdig. Jeder sieht nur die Vorteiler einer solchen Technologie, aber keiner kümmert sich um die Nachteile?  Das ist schlicht nicht vorstellbar. Trotzdem ist das Buch fesselnd von der ersten Seite an und der Circle fasziniert nicht nur Mae, sondern auch den Leser.
Ich würde trotz der Kritikpunkte empfehlen, dass Buch zu kaufen, weil es wirklich sehr interessant war und mich als Leser ganz von sich einnehmen konnte. Zuerst dachte ich zwar auch das Buch sei eher nichts für mich, weil ich normalerweise kein Fan von Dystopien und Zukunftsszenarien bin, doch trotzdem konnte mich die Geschichte von sich überzeugen und zum Nachdenken anregen.

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